In meinem ersten Buch über Buddhismus – es war eine der ersten Ausgaben von Der Weg zur Freiheit von S.H. Dalai Lama – las ich mehrmals, dass ohne Meditation keine Fortschritte auf dem Pfad möglich seien. Um heilsame Geisteszustände, wie Mitgefühl, Weisheit usw. zu entwickeln, sei Meditieren unerlässlich.
Was dann?
Okay, dachte ich, dann beginne ich halt mit dem Meditieren und setzte mich im Schneidersitz aufs Bett. Und dann…? Ja, genau, was dann? Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Wie meditiert man eigentlich? Da beschloss ich, einen Meditationskurs zu besuchen. Das war vor ca. 30 Jahren.
Ich hatte Glück und besuchte sofort den “richtigen” Meditationskurs, nämlich einen Kurs zum Erlernen der Konzentrativen Meditation, die schließlich zu Shamata (Sanskrit: Śamatha, Stilles Verweilen) führt. Diese Form der Meditation geht zurück auf Buddha Shakyamuni und ist die Basis für alle “modernen” Meditationsformen, insbesondere auch für die Achtsamkeitsmeditation.
Über Meditation kann man dicke Bücher schreiben und mehrtägige Seminare anbieten. Das Großartige aber ist, dass das Wichtigste zum Thema Konzentrative Meditation kurz zusammengefasst werden kann. Ein paar zentrale Anleitungen genügen und schon kannst du mit dem Meditieren starten!
Also lass’ uns loslegen.
Entspannung, Stabilität und Klarheit
Entspannung
Bei der Shamata-Meditation geht es um die Entwicklung von Konzentration. Konzentration ist die Einspitzigkeit des Geistes, die Fähigkeit, ein Objekt ohne Ablenkung im Geist zu halten. Das erfordert drei Qualitäten: Entspannung, Stabilität und Klarheit.
Nur wenn Körper und Geist entspannt sind, kann sich der Fokus entfalten. Aus einer verkrampften Haltung geht das nicht. Daher versuchen wir immer zu Beginn und während der Meditation Körper und Geist in einen entspannten Zustand zu bringen.
Entspannung bedeutet hier aber nicht „Gehen-lassen“ oder „Einschlafen“. Es geht hier vielmehr darum, Körper und Geist in eine angenehme Spannung zu bringen, aus dieser dann diese wache Aufmerksamkeit entspringt.
Stabilität und Klarheit
Stabilität und Klarheit sind die Qualitäten von Konzentration bzw. Fokus, d.h. sie ermöglichen erst die Konzentration. Und Konzentration wiederum ist eng verbunden mit Vergegenwärtigung (Achtsamkeit). Was bedeutet das?
Stell dir vor, du willst über eine wichtige Sache nachdenken oder dir eine vergangene Situation wieder ins Gedächtnis rufen. Du holst dieses Objekt in dein Bewusstsein, du vergegenwärtigst es. Das geht mit Hilfe der sog. Vergegenwärtigung, auch Achtsamkeit genannt. Vergegenwärtigung (Sanskrit: smṛti) wird definiert als das Nicht-Vergessen des Geistes in Bezug auf ein vertrautes Objekt. Vergegenwärtigung ist die Erinnerungsfähigkeit des Geistes.
Nun hast du mit Hilfe der Erinnerung dieses (vertraute) Objekt ins Gedächtnis gerufen und willst es analysieren. Vielleicht weil du eine wichtige Entscheidung treffen musst oder Ähnliches.
Ist dein Geist stabil, dann kannst du ohne Ablenkung dein Objekt im Geist halten; ist dein Geist klar, dann siehst du dieses Objekt ungetrübt und “nicht-verschwommen” vor deinem inneren Auge. Das bedeutet Konzentration. Sie ist die Fähigkeit, ein Objekt stabil (= ohne Ablenkung) und klar (= ungetrübt) im Geist zu halten.
Lässt du dich jedoch leicht ablenken, von Gedanken, Handy-Geräuschen, Gefühlen usw., dann ist dein Geist instabil, du kannst das Objekt nicht im Geist “halten”. Siehst du das Objekt ungenau und kannst dir kein klares Bild davon machen, dann fehlt die Klarheit deines Bewusstseins. Deine Konzentration – das ist dein Fokus – steht auf schwachen Beinen.
Die Lösung: Meditieren
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Erstens: Entspannung versus Verspannung
Körper und Geist zu entspannen, gehört zu den schwierigsten Übungen. Dein Körper ist die Basis, er ist die aktuelle “Wohnstätte” deines Geistes. Wenn du verspannt bist und dein Körper schmerzt, dann wirst du nicht meditieren können. Denn dann bleibt deine ganze Aufmerksamkeit im Körper – beim Schmerz oder bei der Verspannung.
Wenn’s um die Körperhaltung beim Meditieren geht, dann sind vor allem 2 Punkte wichtig: stabile Beine/Füße und ein aufrechter Rücken.
Wenn du auf einem Meditationskissen sitzt und die Beine überkreuzt, dann achte darauf, dass sie den Boden bzw. die Unterlage berühren. Wenn du auf einem Stuhl sitzt, dann achte darauf, dass die Ober- und Unterschenkel im rechten Winkel zueinander stehen und die Füße gerade auf dem Boden sind.
Übung
Lenke deine Aufmerksamkeit in deinen Körper. Spüre die Sitzknochen und lass dein Gewicht über die Sitzknochen entweichen. Lass’ die Schwerkraft wirken und lass’ dich von der Unterlage tragen. Entspanne auch deine Schultern, lass’ sie nach unten fallen.
Nun lenke deine Aufmerksamkeit in deinen Rücken, in deine Wirbelsäule. Sie ist aufrecht und gerade. Stell dir vor, die Wirbelsäule verlängert sich bis zum Scheitel. Und genau hier am Scheitel zieht die Wirbelsäule nach oben.
Nun spürst du einerseits das Gewicht des Körpers, die Schwerkraft, die den Körper nach unten zieht und andererseits die Wirbelsäule, die über den Scheitel hinaus nach oben zieht. So entsteht eine angenehme Spannung im Körper.
Du kannst deinen Rücken unterstützen, indem du 1.) die Schulterblätter schräg nach unten zur Wirbelsäule und gleichzeitig nach vorne zum Brustkorb ziehst. Dadurch hebt sich dein Brustkorb und der obere Rücken ist gerade; und 2.) indem du den Kopf ganz leicht nach vorne beugst, sodass du einen ganz leichten und sanften Druck auf dem Kehlkopf spürst. Das entlastet die Halswirbelsäule.
Deine Augen sind beim Meditieren halb geöffnet und dein Blick ruht ca. 1 Meter vor dir auf dem Boden.
Entspanne nun Körper und Geist, indem du deine Aufmerksamkeit auf den Atem lenkst. Beobachte den Atem im Körper. Spüre die Bewegungen des Ein- und Ausatmens im Körper. Welche Körperregionen bewegen sich beim Atmen? Gehe mit deiner Aufmerksamkeit auch ins Innere deines Körpers. Wo spürst du die Atembewegungen im Körper? Nimm einfach wahr, ohne nachzudenken. Lass alle Gedanken an Vergangenes und Zukünftiges los. Spüre deinen Körper.
Zeit und Geduld
Jetzt sagst du vielleicht: Oh, diese Haltung bringt mir nur Schmerz und noch mehr Verspannung. Ja, das ist gut möglich. Denn die meisten von uns sitzen, stehen und gehen ja ganz verkrampft und unentspannt durchs Leben. Sie haben sich an diese verspannte Haltung viele Jahre lang gewöhnt. Aber jetzt hast du die Chance, Entspannung zu lernen. Nutze sie 🙂
Gib deinem Körper jedoch Zeit, sich an die neue Haltung zu gewöhnen. Der Körper ist meist steif und unflexibel und es braucht Zeit und Geduld, sich an eine neue Flexibilität zu gewöhnen.
Diese neue Körperhaltung fördert Stabilität und Klarheit und bringt dir langfristig großen Nutzen.
In der buddhistischen Tradition lernt man im Rahmen des Meditationstrainings die sog. 7-fache Körperhaltung nach Vairocana. Da lernst du 7 (bzw. 8) Punkte, die bei der Körperhaltung zu beachten sind. Wenn du Genaueres darüber wissen willst, dann geh’ zu meinem Blogartikel Die Körperhaltung beim Meditieren. Dort beschreibe ich die 7-fache Körperhaltung ganz genau.
Zweitens: Stabilität versus Ablenkung & Wandern
Im nächsten Schritt suchst du dir ein geeignetes Meditationsobjekt. Zu Beginn wird empfohlen, den Atem als Meditationsobjekt zu nehmen. Lenke deine Aufmerksamkeit auf deine Nasenspitze und beobachte das Ein- und Ausatmen an der Nase.
Obwohl die Meditation den Geist trainiert, ist es am Anfang hilfreich, auch Sinneswahrnehmungen – z.B. das körperliche Spüren des Atems – in die Übung miteinzubeziehen. Das wirkt wie ein Anker und bringt uns leichter in die Gegenwart.
Versuche nun, mit deiner Aufmerksamkeit an der Nasenspitze zu bleiben und genau dort den Atem zu beobachten.
Einatmend spürst du, wie der Atem durch die Nase in den Körper strömt. Vielleicht nimmst du beim Einatmen die Kühle und die Trockenheit des Atems wahr.
Ausatmend spürst du, wie der Atem durch die Nase den Körper wieder verlässt. Vielleicht nimmst du beim Ausatmen die Wärme und Feuchtigkeit des Atems wahr.
Du wirst merken, dass diese Übung schon etwas schwieriger ist als die vorige. Denn dein Aufmerksamkeitsbereich ist kleiner geworden. Bei der Entspannungsübung hast du den Atem im gesamten Körper beobachtet. Jetzt ist die Nasenspitze dein Beobachtungsbereich.
Gedanken, Geräusche, Gefühle usw. werden dich davon ablenken, mit deiner Aufmerksamkeit beim Atem zu bleiben. Je schwächer deine Stabilität ist, desto leichter lässt du dich ablenken.
Durch kontinuierliche Übung stärkst du die Stabilität deines Geistes. Versuche also, die Ablenkungen zu erkennen und kehre dann sofort wieder zu deinem Meditationsobjekt zurück. Auch wenn super Ideen und großartige Projekte während der Meditation in deinem Geist erscheinen, lass’ sie los und lass’ nicht zu, deine Meditation zu stören. Denn während der Meditation sind sie nur Ablenkungen.
Sei nicht verzagt, wenn das nicht gleich gelingt. Es dauert Wochen/Monate bis du ohne Ablenkung dein Meditationsobjekt beobachten kannst.
Drittens: Klarheit versus Dumpfheit & Sinken
Klarheit ist eine Art Strahlkraft des Geistes. Sie ermöglicht dir, dein Objekt mit Tiefenschärfe zu sehen. Wenn z.B. eine visuelle Form dein Meditationsobjekt ist, dann schaust du diese Form zunächst mit deinen Augen an. Dann löst du den Blick vom Objekt und versuchst, diese Form vor deinem geistigen Auge entstehen zu lassen.
Zu Beginn wirst du kein klares Bild erzeugen können, doch mit der Zeit kannst du sogar Details mit deinem inneren Auge, mit der Kraft der Konzentration erkennen.
Störfaktoren der Klarheit sind Sinken und Dumpfheit. Das ist eine Art Müdigkeit, eine Schwere des Geistes. Diese fühlt sich angenehm an, es ist wie kurz vor dem Einschlafen. Doch die Meditation ist eine Wachheits-Übung, keine Einschlafübung, daher ist das Sinken des Geistes ein Fehler beim Meditieren. Dieses Sinken trübt deine Konzentration.
Erst mit fortschreitender Meditationspraxis wirst du das Sinken erkennen. Zu Beginn bist du vor allem mit Ablenkungen – mit dem geistigen Wandern – beschäftigt.
Nun lass‘ uns mit dem Meditieren beginnen – die Meditation beginnt bei Minute 30:00. Hier geht’s zum Video >>>
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