Im letzten Blogbeitrag haben wir die ersten beiden Wahrheiten erkundet – die Wahren Leiden und die Wahren Ursachen. Diese zeigen uns, warum wir seit anfangsloser Zeit im Kreislauf des Leidens gefangen sind. Heute tauchen wir ein in die dritte und vierte Wahrheit: Die Wahren Beendigungen und die Wahren Pfade. Sie weisen uns den Weg zur Befreiung.

Die 3. Wahrheit: Die Wahren Beendigungen…

…sind zu verwirklichen.

Bevor du dich auf den Weg machst, musst du fest davon überzeugt sein, dass du das Ziel auch tatsächlich erreichen kannst, selbst wenn es noch in weiter Ferne liegt. Ohne Vertrauen startest du erst gar nicht. 

Und wenn das Ziel nicht klar ist, dann wanderst du auf dem Lebenspfad einmal hierhin, einmal dorthin – ziellos und ohne klare Ausrichtung. Irgendwo landet man ja immer 😉

Ist Befreiung möglich?

Daher stellen wir uns zunächst die Frage: Ist Befreiung überhaupt möglich? Kann man das Leiden tatsächlich beenden?

Die Meditationen der Ersten Wahrheit – die Wahren Leiden – dienen dazu, echte Gewissheit über die verschiedenen Arten des Leidens zu gewinnen. Selbst über die subtilen und weniger offensichtlichen Leiden.

Du begreifst, dass alles im Wandel ist, ein ständiges Kommen und Gehen. Hat man die Wahren Leiden wirklich erkannt, entsteht der echte Wunsch, den Kreislauf des Leidens zu verlassen.

Dann fragen wir nach den Wahren Ursachen des Leidens, das ist die zweite Edle Wahrheit. 

Aus buddhistischer Sicht entsteht das Leiden nicht ohne Ursache. Es wird auch nicht von einer anderen Instanz geschaffen. 

Alles Leiden, das wir erfahren, ist das Produkt unserer eigenen Verblendungen und karmischen Handlungen.

Der Kreislauf des Leidens wird angetrieben von den störenden Emotionen – Begierde, Hass, Stolz, Unwissenheit, etc. Diese kommen und gehen, je nachdem, womit wir sie nähren – siehe Teil 1.

Doch die primäre Ursache aller Geistesplagen ist Unwissenheit

Unwissenheit

Welche Art von Unwissenheit ist gemeint? 

Es ist die Art von Unwissenheit, die dem Ich und den Phänomenen eine eigenständige – inhärente – Existenz zuschreibt. Diese grundlegende Unwissenheit hält am eigenständigen, unabhängigen Sein von Phänomenen fest. 

Durch diese Sichtweise entstehen Ich und Andere. Aus dieser Dualität heraus kategorisieren wir alles, was uns erscheint:

Dieses ist gut und angenehm, das will ich haben – Begierde -, jenes ist schlecht und unangenehm, das lehne ich ab – Hass -, usw. Für uns fühlt es sich tatsächlich so an, als wären die Eigenschaften angenehm, unangenehm, etc. fixer Bestandteil der Dinge, die wir wahrnehmen. 

Weil wir den Dingen bestimmte Eigenschaften – schön, hässlich, etc. – zuschreiben, entstehen Emotionen, die unsere Handlungen bestimmen.

Handlungen hinterlassen Prägungen

Diese Handlungen hinterlassen Prägungen in unserem Bewusstsein, wie Samen, die zu reifen beginnen und in näherer oder fernerer Zukunft wiederum zu allen Arten von Erfahrungen heranreifen.

Häufig sind das auch leidvolle Erfahrungen – siehe Erste Edle Wahrheit.

So funktioniert – einfach gesagt – der Kreislauf des Leidens. 

Irrtum erkennen

Es gilt daher zu erkennen, dass die Unwissenheit, die die Existenz der Phänomene als eigenständig wahrnimmt, ein Irrtum ist.

Warum? Weil alle Dinge abhängig entstanden sind: abhängig von Ursachen und Bedingungen, das Ganze wiederum ist abhängig von seinen Teilen usw.

Und weil sie abhängig entstanden sind, können sie keinen noch so kleinen Teil inhärenter – unabhängiger – Existenz besitzen. 

Das nennt man im Buddhismus Leerheit: Das Selbst und die Phänomene sind leer von inhärenter Existenz. Nur weil die Dinge leer sind, gibt es Vielfalt und Wachstum. 

(Viele verwechseln Leerheit mit einem Nichts, was auch immer das bedeuten mag. Doch Leerheit ermöglicht erst Fülle und Vielfalt. Alles andere wäre ein völlig verkehrtes Verständnis.)

Korrekte Sichtweise einüben

Irrtümer können korrigiert werden, indem man korrekte Sichtweisen einübt.

Da diese Unwissenheit eine falsche Wahrnehmung der Realität und dadurch die Wurzel aller Leiden ist, kann diese Unwissenheit auch beseitigt werden. Und zwar, indem man die korrekte Sichtweise einübt. 

Die korrekte Sichtweise ist, dass die gesamte Wirklichkeit zueinander in Beziehung steht. Sie ist ein Geflecht aus Abhängigkeitsbeziehungen. Thich Nhat Hanh nennt dieses „Verwoben-Sein” Intersein

Meine Empfehlung: Denk’ mal darüber nach und meditiere über diese Tatsache. Nimm irgendein beliebiges Objekt aus deinem Leben: Betrachte deinen Körper, deinen Esstisch, deine Ideologie/deine Ideen, was immer du willst. Und schau’ mal tief in diese Dinge hinein. Woraus sind sie entstanden? Schweben sie isoliert im Raum? Woher kommen sie, wohin gehen sie? Wer war an ihrem Entstehen beteiligt? Du wirst erstaunliche Erkenntnisse gewinnen 🙂

Die 4. Wahrheit: Die Wahren Pfade…

…sind zu üben.

Jetzt fragen wir uns: Was müssen wir tun, um Leiden aufzugeben und Wohlsein zu erlangen? Gibt es einen Übungsweg zur Befreiung? Ja, na klar 😉

Es ist der Edle Achtfache Pfad. Die acht Zweige des Pfades sind eingebettet in die Drei Höheren Schulungen:

1) die höhere Schulung der Ethik (Sanskrit: śīla),

2) die höhere Schulung der meditativen Sammlung (Sanskrit: samādhi) und

3) die höhere Schulung der Weisheit (Sanskrit: prajñā). 

Der Edle Achtfache Pfad zeigt uns, wie wir leben sollen: Wie handle ich richtig? Wie bringe ich meine Meditation ins tägliche Leben? Was ist Weisheit? Der Edle Achtfache Pfad kann als Leitfaden für ein glückliches Leben gesehen werden, basierend auf Ethik und Zuversicht.

Die acht Zweige des Edlen Achtfachen Pfades

1) Rechte Ansicht und 2) Rechtes Denken (Höhere Schulung der Weisheit)

3) Rechte Rede, 4) Rechtes Handeln, 5) Rechter Lebenserwerb (Höhere Schulung der Ethik)

6) Rechte Tatkraft, 7) Rechte Achtsamkeit, 8) Rechte Konzentration (Höhere Schulung der meditativen Sammlung)

Schritt eins ist, lernen, gegenwärtig zu sein, erkennen, was ist. Das, was ist, annehmen und akzeptieren, ohne sich in der Vergangenheit zu verlieren oder sich Sorgen um die Zukunft zu machen.

Die erste Übung ist daher: Meditieren, um Klarheit, Achtsamkeit bzw. Vergegenwärtigung zu entfalten.

Auf dem Meditationskissen üben wir, den Geist still und klar werden zu lassen. Wenn wir das Kissen verlassen, widmen wir uns im täglichen Leben dem, was ist: Einem lieben Menschen zuhören, den eigenen Körper und die Empfindungen wahrnehmen, eine wichtige Aufgabe zu Ende bringen, klar zu denken, um gute Entscheidungen zu treffen, Grenzen setzen uvm.

Wir leben unser Leben und tun das, was zu tun ist, ohne uns im Denken zu verlieren.

1. Rechte Ansicht

Rechte Ansicht bezieht sich auf die Sichtweise einer tiefen Einsicht in die Vier Wahrheiten. Die Vier Wahrheiten werden EDLE Wahrheiten genannt, weil sie in ihrer Tiefgründigkeit nur von fortgeschrittenen Praktizierenden – von sog. Edlen, den Aryas – erfasst und verwirklicht werden können. 

Haben wir Rechte Ansicht entwickelt, erkennen und verstehen wir die wahre Natur des Lebens und des Leidens, und wir sehen die Pfade, die zur Befreiung aus dem Leidenskreislauf führen.

Die endgültige Wirklichkeit ist nicht mehr verschleiert. Wir sehen sie, wie sie ist. Auf konventioneller Ebene können wir Heilsames und Unheilsames voneinander unterscheiden und wissen, was anzunehmen und was aufzugeben ist: 

Als gewöhnliche Lebewesen tragen wir heilsame und unheilsame Anlagen in unserem Bewusstsein. 

Angenommen, ich habe ein “gesundes” Vertrauen in mich und andere. Lebe ich in einem Umfeld, das die Samen des Vertrauens und der inneren Stärke nährt, dann sind dies förderliche Bedingungen, die meine positiven Anlagen nähren und stärken. Das färbt auch auf Menschen ab, die mir nahe sind.

Doch schlummern auch die Samen des Misstrauens und der Rachsucht in mir. Und es kann sein, dass mein Umfeld gerade diese Samen in mir gießt. Dann ist es leicht möglich, dass diese negativen Emotionen zu meinem Gewohnheitsmuster werden. 

Denn du weißt ja: Die fünf Menschen, mit denen wir die meiste Zeit verbringen, prägen unser Verhalten und mit der Zeit ticken alle im Gleichklang – hier ist der Beweis 😄

Daher ist es wichtig, unterscheiden zu lernen, welche Samen gestärkt und welche nicht weiter beachtet werden sollen und dann den Mut entwickeln, Förderliches anzunehmen und Störendes aufzugeben. Das schließt auch ein, dass wir eventuell ein soziales Umfeld verlassen, das ganz und gar schädlich für uns ist. Heute gibt es dafür das Wort “toxisch”.

Die dazu erforderliche Klarheit und die innere Geisteskraft trainieren wir durch Meditation und Achtsamkeit.

2. Rechtes Denken

Rechte Ansicht ist die Basis für Rechtes Denken (häufig auch als Rechte Absicht übersetzt). Wenn Rechte Ansicht vorhanden ist, dann folgt daraus Rechtes Denken und dieses wiederum zieht alle weiteren “Rechten” Handlungen der Rede und des Körpers nach sich.

3. Rechte Rede

 Rechte Rede ist heilsame Rede und bedeutet, wahrheitsgemäß, freundlich und wohlwollend zu sprechen und Klatsch, Lügen und harte Worte zu vermeiden.

4. Rechtes Handeln

Rechtes Handeln ist heilsames körperliches Handeln, das niemandem Schaden zufügt. Wir handeln ethisch, indem wir z. B. nicht töten, nicht stehlen und kein sexuelles Fehlverhalten begehen.

5. Rechter Lebenserwerb

Rechter Lebenserwerb bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Güter des täglichen Lebens erworben werden, nämlich ethisch einwandfrei, ohne anderen Schaden zuzufügen.

6. Rechte Tatkraft

Rechte Tatkraft ist die freudige Anstrengung auf dem Pfad zum Erwachen. Wir strengen uns an, gesunde und förderliche Qualitäten zu entwickeln und zu erhalten. Gleichzeitig bemühen wir uns, unheilsame Eigenschaften aufzugeben und zu überwinden. 

Wer regelmäßig meditiert und Sport treibt, um seine geistige und körperliche Gesundheit zu erhalten, zeigt, dass er sich richtig anstrengt.

7. Rechte Vergegenwärtigung

Rechte Vergegenwärtigung (Achtsamkeit) ist “die Energie, die uns in den gegenwärtigen Augenblick zurückführt.” (Thich Nhat Hanh)

In jedem Moment voll bewusst und präsent sein, auf Gedanken, Gefühle und die Umgebung achten, das ist Achtsamkeit.

8. Rechte Sammlung

Rechte Sammlung (Konzentrative Meditation) ist die Übung der Shamata-Meditation. Dabei wird die Konzentrationskraft trainiert, um Stabilität und Klarheit des Geistes zu entfalten und höhere Versenkungsstufen zu erreichen. 

Der Edle Achtfache Pfad ist Super-Power in Aktion

Mit dem Edlen Achtfachen Pfad hast du die besten Werkzeuge für ein ausgeglichenes, ethisches und erfülltes Leben – ähnlich einem Künstler, der ein Meisterwerk schafft:

Stell dir vor, du bist eine Künstlerin. Um ein wunderschönes Meisterwerk zu malen, brauchst du Verständnis für deine Materialien und für das Thema (Rechte Ansicht), die Absicht, etwas Schönes zu schaffen (Rechtes Denken), und die richtigen Techniken und Werkzeuge (Rechtes Sprechen, Handeln, Leben). 

Du musst dich aber auch anstrengen und dranbleiben (Rechte Tatkraft) und um ohne Ablenkung und mit einem klaren, leichten und stabilen Geist ganz bei der Arbeit zu sein, brauchst du vor allem auch Rechte Achtsamkeit und Rechte Konzentration.

Wenn wir uns davor fürchten, unser Leiden zu berühren, werden wir den Pfad zu Frieden, Freude und Befreiung nicht entdecken. Lauf nicht davon. Berühre dein Leiden und umarme es. Schließ Frieden mit ihm.

Der Buddha sagte: ‘In dem Augenblick, da du begreifst, wodurch dein Leiden ausgelöst worden ist, befindest du dich bereits auf dem Pfad, der zur Befreiung führt.’

Wenn du das, was entstanden ist, erkennst und dir klar ist, wie es dazu gekommen ist, hast du bereits einen Schritt getan auf dem Weg zur Befreiung.

Quelle: Thich Nhat Hanh. Das Herz von Buddhas Lehre.

VIDEO mit Meditation

Die erste Meditation beginnt bei Minute 10, die zweite Meditation bei Minute 29.

AUDIO mit Meditation

Die erste Meditation beginnt bei Minute 10, die zweite Meditation bei Minute 29.

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