Teil 1
Wir alle – Menschen und ebenso Tiere – streben nach Glück und wollen Leiden vermeiden. Was aber ist die Ursache für Glück, was bewirkt Leid? Haben wir Einfluss auf ein schönes Leben? Ein gutes Verständnis von Karma, vom Ursache-Wirkungs-Prinzip kann dabei hilfreich sein.
Karma bedeutet Handlung
Die Karmalehre ist ein wichtiges spirituelles Konzept in den asiatischen Religionen und Weisheitslehren. Sowohl im Hinduismus, im Sikhismus, im Jainismus und im Buddhismus bilden Karma, Wiedergeburt und das Kausalitätsprinzip die Grundpfeiler ihrer Lehren. Das Denken dahinter: Jede Handlung hat Folgen, bringt also Wirkungen hervor.
In meiner Darstellung beziehe ich mich auf die buddhistische Sicht der Karmalehre.
Karma ist Sanskrit und bedeutet wörtlich Handlung oder Tat. Genauer gesagt ist Karma der Geistesfaktor Wille vor und während einer Tat. Wir unterscheiden zwischen körperlichen, sprachlichen und mentalen Handlungen (Absichten, Gedanken). Jede Handlung (Karma) hinterlässt ihren Eindruck in unserem Bewusstsein, vergleichbar mit einem Samen. In diesen Eindrücken oder Samen schlummern jeweils bestimmte Potentiale, die bei geeigneten Bedingungen heranreifen und ihre Wirkungen entfalten.
Willkür oder Zufall oder…?
Unser Bewusstsein dient dabei als Speicher, in dem alle Karmas abgelegt werden, heranreifen, ihre Früchte entfalten und schließlich – wenn sie sich vollständig aufgebraucht haben – wieder vergehen. Wir können uns dies als bunten Samenhaufen vorstellen, der ständig in Bewegung ist: Samen reifen heran, manche trocknen aus, andere vergehen, neue kommen hinzu usw. Allerdings sind Karmas nicht materiell und daher auch nicht sichtbar.
Wer oder was bewirkt nun das Heranreifen der karmischen Samen? Ist da jemand, der bestimmt, was wann zur Reife kommt? Oder ist es der Zufall, der den Reifeprozess in Gang setzt? Im Buddhismus wird beides verneint, denn Ursachen haben ganz allgemein drei Merkmale:
- Ursachen sind unbeständig: Die Definition von Unbeständigkeit ist Augenblicklichkeit. Das bedeutet, die Dinge verändern sich von Moment zu Moment. Sie verändern sich ständig, kein Augenblick ist gleich wie der vorherige. Alle Dinge befinden sich in stetigem Wandel. Das trifft auch auf Ursachen zu. Sie sind in ständiger Veränderung und wandeln sich von Augenblick zu Augenblick. Wirkungen können nur aus unbeständigen Ursachen entstehen. Etwas Beständiges, das nicht dem Wandel unterliegt, kann keine Wirkung hervorbringen.
- Ursachen sind nicht dem Willen eines Schöpfers unterworfen: Wirkungen – z.B. Glück oder Leid – entstehen nicht willkürlich, sondern aus spezifischen Ursachen und Bedingungen.
- Ursachen besitzen Wirkkraft: Das bedeutet, Ursachen haben eine innewohnende treibende Kraft, ihr jeweiliges Potential zur Reife zu bringen. Jede Wirkung hat Ursachen, die auch das Potential dieser spezifischen Wirkung in sich tragen. Es ist nicht möglich, dass eine Ursache eine Wirkung hervorbringt, die nicht ihrem Potential entspricht. So kann z.B. ein Tomatensame (Ursache) keinen Kirschbaum (Wirkung) hervorbringen.
Das Kausalitätsprinzip – Ursache und Wirkung
Alles Entstehen, Bestehen, Verändern und Vergehen unterliegt dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Nehmen wir die äußere Welt als Beispiel: Damit eine Tomate zur Reife kommt, braucht sie spezifische Ursachen und Bedingungen, nämlich
- substantielle Ursachen und
- mitwirkende Bedingungen.
Tomatensamen sind die substantiellen Ursachen für die Tomatenpflanze, diese geht direkt aus der Samensubstanz hervor.
Doch die Samen alleine machen noch keine Tomaten. Wenn die Samen in der Box oder im Sackerl liegen bleiben, dann wachsen daraus noch keine Tomatenpflanzen. Die substantielle Ursache alleine ist daher zu wenig, um Paradeiser ernten zu können. Wir brauchen zusätzlich die sog. mitwirkenden Umstände. Das sind geeignete äußere Bedingungen, wie z.B. Feuchtigkeit, die richtige Temperatur, Erde, Pflege usw. Es ist also ein komplexes Set an Bedingungen erforderlich, damit aus Tomatensamen saftige Paradeiser wachsen.
Wenn ich nun einen Apfelkern in die Erde setze und hoffe, dass daraus Tomaten wachsen, dann werde ich enttäuscht sein. Wir sehen: Die Qualität der Ursache muss der Qualität der Wirkung entsprechen. Ursachen können nur die ihnen entsprechenden Wirkungen erzeugen. Dies nennt man das Prinzip der Gleichartigkeit.
Was haben Tomaten mit Karma zu tun?
Dasselbe Prinzip, welches bei äußeren Phänomene wirkt, trifft auch auf unsere inneren Prozesse zu. Körperliche, sprachliche und mentale Handlungen sind nicht isoliert, sie sind Teil unseres Lebensstroms. Handlungen bestehen aus verschiedene Faktoren.
Nehmen wir als Beispiel eine Rede, sagen wir, ich halte einen Vortrag:
- Da haben wir einmal den Adressaten – an wen richtet sich mein Vortrag? Gibt es überhaupt ein Publikum?
- Mit welcher Motivation und Geisteshaltung spreche ich? Was ist meine Absicht? Will ich Wissen vermitteln, will ich falsche Informationen verbreiten, will ich schlecht über andere sprechen, will ich Freude bereiten? Welche Geisteshaltung, welche Motivation begleitet meine Handlung? Bin ich mitfühlend, liebend, vertrauensvoll oder wütend, eifersüchtig usw.?
- Dann gibt es die eigentliche Durchführung, nämlich das Sprechen, das Vortragen und schließlich
- kommt der Abschluss der Handlung, der Vortrag ist zu Ende.
Sind alle Teile vorhanden, dann spricht man von einer vollständigen Handlung, die ein vollständiges Karma hinterlässt, das bei geeigneten Bedingungen zur Reife gelangt. Welches Erleben heranreift, also die Qualität meiner zukünftigen Erfahrung ist vor allem von meiner Absicht und von meiner Geisteshaltung vor und während des Vortrags abhängig.
Viele Handlungen geschehen auch ohne Absicht. Angenommen, ich gehe auf einer Wiese oder auf einem Waldweg und unterhalte mich mit einer Freundin. Während des Gehens kann es dabei leicht passieren, dass ich auf Ameisen, Würmer, Insekten usw. trete und sie dabei töte oder verletze. Hier wäre die Handlung nicht vollständig und ich würde daher Karma ansammeln, das weniger schwerwiegend ist.
Die Fortsetzung dieses Blogartikels – Teil 2 – findest du >>> hier <<<
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