Meditation wird immer populärer und findet mittlerweile im Westen großes Interesse – unabhängig von Religion und Weltanschauung. Obwohl es sich bei Meditation um eine uralte Praxis handelt, ist sie doch für Westler relativ neu.

Und wie bei allem “Neuen” gibt es zwangsläufig auch hier viele Missverständnisse und falsche Ansichten über Meditation & Achtsamkeit.

Neulich traf ich eine meiner Nachbarinnen. Sie durchlebt gerade eine schwierige Zeit – familiär und gesundheitlich. “Ich habe schon einige Kilos abgenommen”, sagte sie, “bin nervös und schlafe auch schlecht.” 

Hast du schon mal Meditation ausprobiert?”, fragte ich. „Meditieren kann helfen, Kopf und Körper zu beruhigen.“

Nein, Meditieren ist nichts für mich. Da werde ich aggressiv. Ich mag keinen esoterischen Humbug.”, antwortete sie. 

Ich musste lachen.

Naming is Framing

Es stellte sich heraus, dass ihre Bedenken auf Informationen aus zweiter Hand beruhten und nicht auf persönlichen Erfahrungen.

Ich startete also den Versuch, sie aufzuklären. Doch schnell bemerkte ich, dass ihre vorgefasste Meinung ziemlich einzementiert war, und so ließ ich mein Ansinnen los und sie in ihrem Glauben 😉

Denn wenn jemand eine fixe Idee oder Meinung hat und keine Offenheit zeigt, diese zu hinterfragen, dann ist alles Weitere zum Thema nur Zeitverschwendung und Gerede ins Leere.

Mir fiel auf, dass sie hauptsächlich im oberen Brustbereich atmete, häufig auch durch den Mund. Mundatmung bringt noch mehr Aufgeregtheit in Körper und Geist.

Ich gab ihr ein paar Atem-Tipps: langsam, durch die Nase und mit dem Zwerchfell atmen und erklärte ihr, dass dies beruhigend wirke. 

Diese Empfehlungen konnte sie gut annehmen – Naming is framing 😉 

🙏

Dieses Gespräch brachte mich auf die Idee, einige Irrtümer über Meditation & Achtsamkeit zu klären.

Irrtum #1: “Jede Meditation ist gleich.”

Es gibt viele Arten der Meditation. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ziele und Methoden.

Bei der klassischen Shamata-Meditation werden Fokus, Achtsamkeit und Innenschau trainiert – die beste Vorbereitung für eine weitere Form der Meditation: VipassanaEinsichtsmeditation zur Stärkung der Weisheit. 

Dann gibt es noch Mitgefühls-, Liebende-Güte-Meditationen uvm.

Mein Tipp: Beginne mit Shamata oder Achtsamkeitsmeditation. Das hilft, den eigenen Geist, die Emotionen, Anhaftungen und Abneigungen besser kennenzulernen. Gleichzeitig trainierst du die Stabilität und Klarheit deines Geistes. 

Irrtum #2: “Meditieren heißt Entspannen.

Als ich vor einiger Zeit einen mehrwöchigen Shamata-Meditationskurs leitete, kam am letzten Tag eine Teilnehmerin zu mir und sagte: “Also, ich hab’ mir das Meditieren ganz anders vorgestellt. Ich dachte, wir würden jedesmal von Musik und schönen Worten berieselt werden und könnten uns dabei herrlich entspannen. Aber Meditation ist ja Arbeit mit dem eigenen Geist und das kann richtig anstrengend sein.” 

Viele Menschen glauben, Meditieren sei bloß eine sanfte Entspannungsübung 😉

Sie verwechseln z.B. Achtsamkeitsmeditation mit geführtenMeditationen, bei denen meistens die Entspannung im Vordergrund steht.

Doch echte” Meditation im traditionellen Sinn ist Geistesschulung. Durch gezieltes Geistestraining steigern wir die Kraft der Aufmerksamkeit und der Achtsamkeit.

So erkennen wir z.B., wie unsere Sichtweisen von Emotionen und vorgefassten Meinungen beeinflusst werden. 

Sich darauf einzulassen, kann natürlich ziemlich anstrengend sein, vor allem für Anfänger 😉

Meditation besänftigt unsere Emotionen und beruhigt das laute Geplapper des Geistes. Das wirkt wiederum entspannend und nährt unsere Freude.

Irrtum #3: “Meditation hat keinen praktischen Nutzen.”

Der Hauptzweck der Achtsamkeitsmeditation ist Geistestraining.

Ein geschulter Geist kann sich selbst und die Welt mit größerer Klarheit erkennen. Und eine klare Sichtweise führt wiederum zu besseren Entscheidungen im alltäglichen Leben – in Bezug auf Beziehungen, Arbeitsumfeld, Finanzen usw. 

Meditation verbessert darüber hinaus unsere kognitiven Fähigkeiten: abstraktes Denken, die Kraft der Erinnerung, Kreativität uvm. All das bringt praktische Vorteile im echten Leben.

Meditation trainiert aber vor allem die Konzentrationskraft – DAS Wundermittel gegen die Krankheiten unserer Zeit: Ablenkung und Zerstreutheit.

Irrtum #4: “Meditation bedeutet Realitätsflucht.”

Das Gegenteil ist der Fall. Meditation befähigt dazu, uns selbst, die Welt und unsere Rolle darin mit ungetrübtem Auge zu sehen, frei von den Schleiern vorgefasster Meinungen und Emotionen. 

Die Realität des abhängigen Entstehens, Bestehens und Vergehens wird zur bewussten Erfahrung. Aus dieser Erkenntnis erwächst eine universelle Verantwortung – für uns selbst und unser Umfeld. 

Wir blicken über die Gegenwart hinaus und sind uns der Folgen unserer Handlungen (und auch der Folgen des Nicht-Handelns, z.B. von Entscheidungsträgern unseres Landes) bewusst.

Irrtum #5: “Meditation ist nichts für mich, weil ich viel zu unruhig bin.

Eines der Hauptziele von Meditation ist es, den unruhigen, ungezähmten und umherwandernden Geist zu beruhigen und zu disziplinieren.

Daher ist ein ruhiger, gesammelter Geist die WIRKUNG der Meditationspraxis und nicht ihre Vorbedingung

Du besuchst ja auch keinen Saxophonkurs, wenn du bereits wie Jan Garbarek spielst 🎷😉

Wenn du erst einmal mit der Praxis begonnen hast, wirst du lernen, einige Ursachen für deine innere Unruhe zu erkennen. Mithilfe der Meditation kannst du diese minimieren und dadurch einen größeren Nutzen aus der Meditationssitzung ziehen.

Irrtum #6: “Meditation ist eine religiöse Praxis”

Es ist richtig, dass verschiedene Religionen Meditation praktizieren. Doch Meditation selbst ist bloß eine Technik, eine Methode, das beste Werkzeug zur Schulung des Geistes.

Tatsächlich bewirkt Meditation auch, uns von Ideologien und falschen Ansichten zu befreien und die Welt so zu sehen, wie sie ist.

Irrtum #7: “Meditation ist nur für die, die nach Erleuchtung streben.

Viele Menschen denken, Meditation wäre nichts für sie, weil sie nicht nach Erleuchtung streben, sondern “lediglich” ein glückliches Leben führen wollen.

Aber wenn wir wirklich glücklich sein wollen, dann müssen wir sehen lernen, welche unserer Gewohnheiten, Gedanken und Handlungen zu unserem Glücklichsein beitragen und welche nicht. 

Und genau das erfordert Einsicht und Bewusstheit. 

Wie könnte ein ungezähmter Geist je still sein und die eigenen Aktivitäten betrachten? Ohne entsprechendes Training bleiben wir Sklaven unserer Gedanken, Emotionen und Gewohnheiten. 

Meditation hilft uns, Königin und König im eigenen Palast von Körper und Geist zu sein.

Fazit

Meditation und Achtsamkeit werden häufig missverstanden und mit falschen Vorstellungen behaftet. Die verbreitete Annahme, Meditation sei entweder Unsinn, bloße Entspannung oder gar Realitätsflucht, verkennt die Tiefe und den praktischen Nutzen dieser uralten Praxis

Meditation dient nicht nur der Beruhigung des Geistes, sondern vor allem der Schulung und Klärung unserer Wahrnehmung. Sie ist ein Werkzeug, das uns hilft, unser eigenes Denken und Handeln besser zu verstehen und somit bewusster und erfüllter zu leben. 

Unabhängig von religiöser Zugehörigkeit oder spirituellen Zielen bietet Meditation die Möglichkeit, mehr inneren Frieden, Klarheit und Einsicht zu gewinnen. 

Wer die Vorurteile ablegt und sich der Praxis öffnet, erkennt, dass Meditation viel mehr ist als nur eine Technik.

Meditation kann ein wertvoller Begleiter auf dem Weg zu einem bewussten und glücklichen Leben sein.

AUDIO-Achtsamkeitsmeditation – Gefühle kommen und gehen

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